| Schlechte
                Gene, Babys und Badewasser Authorin:
                C.A. Sharp,
 Erstveröffentlichung im Herbst 1998 in Double
                Helix Network,
 Übersetzung mit Genehmigung von C.A.Sharp durch
                Verena Struwe
 Jeder
                hat schon das Sprichwort "Das Kind mit dem
                Bade ausschütten" gehört. Aber denken
                Hundezüchter je darüber nach, ob es sich auf
                sie bezieht? Sicher nicht der Neuling, der
                rechtschaffen erklärt, er werde nie und nimmer
                ein Zuchttier behalten, das auch nur die
                Möglichkeit birgt, einen klitzekleinen
                genetischen Defekt hervorbringen zu können. Auch
                nicht der erfahrenen Züchter, der eine ansonsten
                ausgezeichnete Linie verschmäht, weil sie ab und
                an einmal einen Katarakt hervorbringt. Die
                Neigung zum genetischen Overkill kann nicht nur
                dazu führen, dass Hunde mit hohem züchterischen
                Potential aussortiert werden sondern auch dazu,
                dass Dinge geschehen, die Züchter eigentlich
                vermeiden wollen. Das Folgende ist eine wahre
                Begebenheit, die aus der kurzsichtigen Auswahl
                von Züchtern entstanden ist: Vor ca. 20 Jahren haben
                Basenjizüchter eine Aktion gestartet um eine
                tödliche Krankheit, genannt pyruvate kinase
                deficiency hemolytic anemia (HA) auszumerzen. HA
                wird durch ein rezessives Gen übertragen. Hunde
                mit nur einem dieser Gene sind gesund, während
                Hunde mit zwei Genen sterben. Um das Gen in den
                Hunden zu identifizieren wurde ein Test
                entwickelt. Züchter ließen ihre Hunde testen
                und schlossen nicht nur kranke Hunde sondern auch
                Trägertiere von der Zucht aus. Heute ist HA eine
                seltene Krankheit bei Basenjis, aber das
                Vorkommen von PRA (Progressiver Retina Athropie)
                ist deutlich höher. Zugenommen hat auch das
                Auftreten einer anderen tödlichen Krankheit,
                eines Nierenschadens, der Faconi's Disease
                genannt wird. Keine dieser Erkrankungen kann
                durch einen Gentest ermittelt werden, auch nicht
                eventuelle Trägertiere. Wären die Züchter bei
                der Verfolgung von HA weniger fanatisch gewesen,
                hätten sie vielleicht gesunde Trägertiere des
                Gens weiterhin zur Zucht verwendet und nur mit
                Nichtträgern verpaart, um HA-freie Welpen zu
                erhalten. Dadurch hätten sie die guten Aspekte
                dieser Hunde erhalten können, die Freiheit von
                PRA und Falconi's Disease eingeschlossen, und das
                Vorkommen von HA ebenso verringern können.  (Anmerkung von mir:
                hier ist ein guter Tipp zum Umgang mit CEA- und
                MDR1-Defekt-Trägern zu entnehmen!) Zum Glück für
                Basenjis gibt es noch eine Urpopulation in
                Afrika. Der Basenji Club hat beim AKC eine
                Neuöffnung des Zuchtbuches beantragt, um
                afrikanische Basenjis in die Zucht aufnehmen zu
                können. Diese Quelle neuen Genmaterials bedeutet
                große Anstrengungen und Ausgaben für die
                Züchter, die sich die Mühe machen, einen dieser
                Hunde zu importieren. Vielen Rassen steht diese
                Möglichkeit nicht offen und selbst wenn sie
                besteht, ist es eine monumentale Aufgabe, den AKC
                dazu zu bringen, ausländische Hunde ohne Papiere
                zur Zucht zuzulassen. Trotz dieser
                Vorkommnisse bei den Basenjis soll dies keine
                Ablehnung von Gentests sein. Das Problem war
                nicht der HA-Test, sondern die drastische
                Auslese, die die Züchter durchführten. Wenn es
                einen Gentest gibt, nutzt ihn! Züchter müssen
                soviel wie möglich über das Genpotential in
                ihrem Zuchtmaterial wissen. Im Idealfall sollten
                sie die Ergebnisse, ob gut oder schlecht, mit
                anderen Züchtern teilen. Gut informierte
                Hundeleute wissen, dass es den perfekten Hund
                nicht gibt. Selbst die besten Hunde haben Fehler.
                Diese Fehler sind nicht nur diejenigen
                Standardfehler oder Unarten, die man auf den
                ersten Blick erkennen kann, sondern auch
                genetische Fehler. Hunde haben mindestens 80.000
                Gene. Egal wie hoch der Auslesestandard bei dem
                Zuchtmaterial und den Welpen ist, jeder Hund wird
                Gene für unerwünschte Merkmale tragen. Experten
                sind sich einig, dass jedes Lebewesen - sei es
                Hund, Mensch oder Blumenkohl - wahrscheinlich 3
                tödliche Paare in sich trägt. Das könnte Euch
                stutzig machen, warum wir nicht mehr Hunde und
                Blumenkohl, abgesehen von Menschen, wie die
                Fliegen sterben sehen. Unter normalen
                Umständen sind tödliche Gene selten.
                Natürliche Populationen verpaaren sich auf's
                Geradewohl und erhalten dabei eine gute Mischung
                von Genpaaren. Nur ab und an wird eine Verpaarung
                zu einem kranken Individuum führen. Dazu kommt
                der oft fatale Verlauf der Krankheiten, die die
                betroffenen Tiere sterben lässt, bevor sie sich
                vermehren und so das Gen weitergeben können.
                Aber die Vermehrung von Zuchttieren, Hunde
                eingeschlossen, geschieht nicht zufällig. Sie
                ist selektiv und basiert auf den Wünschen und
                dem Nutzen für den Züchter. Als ein Ergebnis
                liegt die Anzahl von tödlichen Genpaaren bei den
                meisten Zuchttieren über 3, eine Folge der
                Konzentration des Genmaterials durch die
                Standardzuchtpraktiken, um ein gewünschtes
                Ergebnis zu erzielen. Zwei Beispiele bei den
                Australian Shepherds sind die
                Pelger-Huet-Anomalie und die Merle-Farbe. Gene
                mit tödlichem Effekt sind nur die Spitze des
                Eisbergs. Es gibt dutzende, wenn nicht hunderte
                von Genen, deren Auswirkungen von unbedeutend bis
                sehr schlecht reichen. Züchter bewerten ihr
                Zuchtgut routinemäßig bei Schauen und/oder
                Leistungstests im Detail. Stärken und Schwächen
                im eigenen Tier werden gegeneinander abgewogen
                und mit Stärken und Schwächen von möglichen
                Partnern verglichen. Wenn das Gesamtergebnis
                zufriedenstellend ist, wird der Züchter die
                Verpaarung vornehmen. Erbkrankheiten und Defekte
                müssen denselben Stellenwert einnehmen, als
                eigener Punkt und in Kombination mit den anderen
                Attributen des Hundes. Einige Fehler wiegen
                schwer genug, um den Hund ganz von der Zucht
                auszuschließen aber unter gewissen Umständen
                müssen Gendefekte und Erbkrankheiten nicht
                dazuzählen. Denken Sie an den Fall der Basenjis
                und HA. Hunde, die Träger eines Merkmales bei
                denen nur homozygote (reinerbige, zwei gleiche
                Gene) betroffen sind, können weiter genutzt
                werden, wenn man sie nicht mit anderen Trägern
                verpaart und sie nicht zu oft einsetzt. Wenn die Art der
                Vererbung nicht bekannt oder polygen ist, kann es
                schwer sein, Träger zu identifizieren.
                Individuen, die wiederholt Hüftdisplasie,
                Epilepsie oder Thyroid Desease
                (Schilddrüsenerkrankung) vererben, sollten wegen
                der Schwere und des entkräftenden Verlaufs der
                Krankheiten aus der Zucht genommen werden. Wenn
                ein Individuum als wiederholter Vererber einer
                Krankheit feststeht kann es aus der Zucht
                genommen werden. Viele Fehler drücken
                sich unterschiedlich aus. diese schließen
                genetische Defekte wie Hüftgelenksdisplasie (HD)
                oder fehlende Zähne ein. Bei Clumber Spaniels,
                wo HD fast universell war, war der Ausschluss
                aller betroffenen Hunde keine Möglichkeit, wenn
                die Rasse erhalten bleiben sollte. Durch die
                Auswahl der am wenigsten gefährdeten Hunde haben
                es Clumber-Züchter geschafft, ihre
                Gesamtsituation zu verbessern und mehr HD-freie
                Hunde und Hunde, bei denen die HD weniger schwer
                ist, zu produzieren, obwohl HD noch verbreitet
                ist. Eine ähnliche Situation gibt es bei Collies
                und der Collie Eye Anomalie (CEA). Im Fall von fehlenden
                Zähnen, einem Fehler, der oft bei Show Aussies
                vorkommt, könnte man ähnlich verfahren. Es gibt
                genug qualitativ hochwertige Hunde mit komplettem
                Gebiss, so dass mit Hunden mit fehlenden Zähnen
                nicht gezüchtet werden muss. Es können jedoch
                Hunde, denen ein, zwei Zähne fehlen mit Hunden
                aus vollzahnigen Linien verpaart werden. Vor
                zwanzig Jahren hatte man von fehlenden Zähnen
                bei Aussies noch nichts gehört. In zwanzig
                Jahren können wir wieder dort sein, wenn
                Züchter sich mehr Gedanken um Tests und
                Verpaarungen machen würden - und keine der guten
                Eigenschaften dieser Hunde würde unterwegs
                verloren gehen. Die Größe der
                Population einer Rasse muss berücksichtigt
                werden, bevor man entscheidet, ob ein Hund, der
                eine Krankheit hat oder in sich trägt, zur Zucht
                eingesetzt werden sollte oder nicht. Australian
                Shepherds sind zahlreich, aber einige
                Unterpopulationen der Rasse sind es nicht. In
                Nordamerika gibt es tausende Aussies, aber in
                anderen Ländern gibt es, wenn überhaupt, nur
                einige hundert Zuchthunde. Möglichkeiten,
                neueres Genmaterial zu importieren sind rar, -
                vor allem in Ländern mit strikten Importgesetzen
                und Quarantänebestimmungen. Selbst in
                Nordamerika können die Verpaarungsmöglichkeiten
                sehr gering sein, wenn das Zuchtziel sehr eng
                gesteckt ist, wie zum Beispiel das Herauszüchten
                eines bestimmten Hundetypes. Bei kleineren
                Populationen können Züchter keine Wahl haben,
                als auch mit kranken Tieren zu züchten. Die
                einzige andere Alternative wäre es, mehr
                inzuzüchten und dadurch den Genpool zu
                verkleinern, was andere und womöglich
                gefährlichere Eigenschaften hervorbringen
                könnte. Wenn kranke Hunde (oder Defektträger)
                genutzt werden müssen, sollten Züchter
                besonders darauf achten, mit ihnen keine Inzucht
                zu betreiben. Solch ein Hund sollte auch nicht zu
                oft zur Zucht genutzt werden. Von seinen Welpen
                sollten nur solche weiterverwendet werden, die
                keine Fehler zeigen. Wenn Züchter
                Erbkrankheiten mit objektivem Blick
                entgegentreten und ehrlich mit sich selbst sind
                bei der Überlegung, ob eine mögliche Verpaarung
                Erbkrankheiten hervorbringen könnte, können sie
                gesunde Welpen züchten und das
                "Badewasser" schlechter Gene langsam
                ausschütten. |